von Sannah Wagner

Als Mumford & Sons vor sechs Jahren ihre erste Platte veröffentlichten, war ihre Musik an sich nicht innovativ. Americana ist ja ein durchaus klassisches, wenn auch in europäischen Breiten nicht sehr geläufiges Genre. Warum also hatten die Jungs plötzlich so einen Erfolg? Eine Antwort ist sicher: Timing. Der raue, pure Charme ihrer „Unplugged“- Instrumentierung traf auf die immer größer werdende Sehnsucht vieler nach Ursprünglichkeit und Authentizität, nach Reduktion, Ehrlichkeit und Geborgenheit. Auch ich verfiel der Band, als ich durch Zufall auf einen Mitschnitt eines Bookstore-Concerts stieß. Als geneigte Leserin amerikanischer Literatur hatte ich das Gefühl, den Soundtrack zu manch einem Buch zu hören. (Das es sich bei den Mitgliedern der Band um Engländer handelt, war ein eher ironisches Detail.) Die Musik traf den Nerv mit ihrer Mischung aus rauer Stimme, akustischen Instrumenten und dem melancholischen, dennoch kraftvollen Songwriting.

Ihr Bekanntheitsgrad wuchs von Clubgröße auf Festival-Hauptbühne und Amerika, das Land, das europäischen Musikern normalerweise nicht die Tür öffnet, hieß Marcus und seine Söhne willkommen. Sie durchquerten das Mutterland ihres Sounds mit dem Zug, spielten auf legendären Bühnen, ließen die Fans via DVD teilhaben und bastelten, so wirkte es fast, nebenbei ein zweites Album zusammen. Als mit „Babel“ im Jahr 2012 das zweite Album veröffentlicht wurde, war wohl jedem klar, dass Mumford & Sons sich auf dem Zenit ihres Schaffens befanden. Doch so gut das Album auch war, man ahnte, das Konzept von Mandoline und Co hatte sich ausgereizt. Die Band nahm sich eine Auszeit.

Als alle Mitglieder wieder aufeinander trafen, brachten sie „neue“ Impulse mit. Man saß zusammen, probierte rum und stellte fest, dass der Ton grundsätzlich rockiger werden würde – so zumindest will es die Überlieferung. Heraus kam das – jetzt im Mai erschienene – dritte Album „Wilder Minds“: Ein Album, auf dem die Band Instrumenten mit Steckern den Vorzug gibt, die Weste der Lederjacke weicht und das Herz hinter dem Stadion zurückstecken muss. Eingängig – das ist wohl das Adjektiv, das „Wilder Minds“ am besten beschreibt. Man könnte es auch beliebig nennen. Folk weicht Pop-Rock, man hört Bekanntes – allerdings kennt man es nicht von den Mumfords. Ihr Songwriting schimmert zwar hin und wieder durch, doch entfaltet es sich nur noch sehr begrenzt. Zu banal, zu undifferenziert sind die Drums, die Basslinien und auch die Wahl der restlichen Instrumentierung. Auch mit Stecker hätten sie weit mehr Möglichkeiten gehabt als die, die sie letztendlich genutzt haben. Man kann das alles gut mitsingen – aber darum ging es wohl auch. Um Radiotauglichkeit. Die Chartplatzierungen, Top Ten in USA, England und Deutschland, geben Mumford and Sons, so denn sie es so wollten, recht. Doch die hatten sie vorher auch. Man muss sich fragen, warum das? Warum so?

Was mich als Fan der ersten Stunden angeht…. Als ich vor einiger Zeit mit einem Freund zusammen saß und wir über unsere Liebe zur Musik im allgemeinen und über unsere Helden im Speziellen sprachen, stellten wir fest, dass es für uns mit zunehmender Anzahl an Jahren immer schwerer wird, etwas Neues zu hören. Dabei ging es uns gar nicht darum, dass jemand das Rad neu erfindet – vielmehr ging es um kreative Details, interessante Instrumentierung oder ungewöhnliches Songwriting. Mumford and Sons boten mir das, als ich sie für mich entdeckte. (Ich sage das in dem vollen Bewusstsein, dass so manch ein Musikkritiker das anders sieht) Und ja, ich fand Geborgenheit, Authentizität und Ursprünglichkeit in ihrer Musik. Doch mit „Wilder Minds“ hat sich die Band all dem zugewandt, wovon sich ihre Fans mit ihrer Hinwendung abgewendet hatten. Es wird sich zeigen, ob diese Entwicklung ein Intermezzo bleibt, ihre neue Richtung weist oder aber sogar der Abgesang ist.

Ein Nachtrag in eigener Sache: Wir übergehen auf unserem Blog mangelnde Begeisterung normalerweise schweigend. Doch in diesem Fall betrifft es Musiker, die mir grundsätzlich sehr am Herzen liegen. Drum sei diese Kritik ausnahmsweise gestattet.