von Sannah Wagner

43 Gründe, warum es AUS ist erzählt von der Liebe der beiden Teenager Minerva „Min“ Green und Ed Slaterton. Die Beiden lernen sich auf einer Party kennen. Min ist ein totaler Filmfreak, die mit ihren Freunden schräge Partys veranstaltet, während Eds Leben als Co-Kapitän der Basketballmannschaft komplett durchritualisiert ist – inklusive Lagerfeuerpartys und ständig wechselnden Freundinnen. Dennoch verlieben sie sich in einander und versuchen, die Unterschiede ihrer Leben unter einen Hut zu bekommen. Doch – wie der Titel verrät – ist diese Geschichte einer ersten Liebe, eine Abrechnung. Die 43 Gründe, warum es aus ist liegen in einer Kiste, die Min Ed vor die Tür stellen will. Auf ihrem Weg zu ihm schreibt sie ihm einen Brief, in dem sie anhand der Gegenstände noch einmal den gemeinsamen Momenten nachspürt – den schönen wie den schwierigen.

Daniel Handler hat ein im Grunde klassisches Thema äußerst originell aufgegriffen. Sowohl textlich als auch darstellerisch. Statt einfach nur die Geschichte vom Werden und Vergehen einer ersten Liebe zu erzählen, nimmt er dem Leser von vorn herein die Illusion eines Happy Ends und stellt in 43 Kapiteln die Schönheit des Moments dem Grund des Scheiterns gegenüber. Dies macht er auf eine leichte, durchaus humorvolle Art, die dennoch Raum für verletzte Gefühle und Wut hat.
Darstellerisch wird die Geschichte durch die sehr schönen, passenderweise etwas naiven Illustrationen von Maira Kalman unterstützt. Jeder Gegenstand bekommt ein eigenes Bild, aber auch Anfang und Ende des Buches werden mit den passenden Szenarien versehen. Der Hanser Verlag hat bei der, im ganzen hochwertigen, Verarbeitung wunderbarerweise darauf geachtet, ein für die Illustrationen besonders geeignetes Papier zu verwenden, so dass die Farben schön zur Geltung kommen und die Stärke des Papiers das Durchschimmern verhindert. Die Gestaltung und die Haptik machen das Buch schon zu einer Perle, bevor man überhaupt ein Wort gelesen hat.

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Inhaltlich bleibt zu sagen, dass Min Green als „künstlerisch angehauchter Typ“ und Ed Slaterton als Basketball-Star auf den ersten Blick etwas klischeehaft wirken. Mein innerer, leicht seriensüchtiger, Teenager dachte sofort an One Tree Hill meets Dawson’s Creek. Schnell wird jedoch klar, dass das ein Kniff ist, um die Kluft zwischen den Beiden und ihrem Umfeld zu verdeutlichen. Vor allem, da das Umfeld – für Teenager ja weit wichtiger als für Erwachsene – so unvereinbar ist und die Beziehung der Beiden weder von Freunden noch Familie unterstützt wird. Dies führt immer wieder dazu, dass beide das Gefühl haben, sich entscheiden zu müssen – zwischen dem Leben, das sie gewohnt sind und dem des Anderen. Zu Beginn (er)trägt die Liebe das alles noch, doch je weiter die Beiden gehen, desto größer wird der Druck. Sowohl der, der von außen auf sie einwirkt als auch der, den sie sich selbst machen.

Ich gebe zu, dass am Ende die Brücken, die die beiden sich bemühen zu bauen, so gar nicht reichen sollen, das stimmte mich traurig. Ich fragte mich nach dem Lesen der letzten Seite, soll das die Botschaft sein? Bleib bei dir und deinesgleichen? Das wäre in der Tat eine traurige Moral, gerade auch für Jugendliche, denn eigentlich macht doch der Versuch der Beiden, mit den Klischees zu brechen und einen eigenen Weg zu finden, Mut.
Sollte es im Leben nicht auch darum gehen, den eigenen Horizont zu überschreiten und sich auch auf die Welt eines anderen einzulassen – voneinander lernen, aneinander wachsen, neugierig bleiben? Ich befürchte jedoch, dass diese, meine, Sicht der Dinge naiv ist und die Realität in dieser Geschichte schlummert.
Denn, wenn wir mal ehrlich sind, wir alle hatten schon einmal solch eine Kiste. Und die haben wir am Ende vielleicht auch jemandem vor die Tür gestellt, in die Hand gedrückt oder aber anderweitig „entsorgt“. Die wenigsten bleiben mit ihrer ersten großen Liebe zusammen und erst recht nicht, wenn sie von vorn herein mit so vielen Komplikationen zu kämpfen hat, wie die der beiden Protagonisten. Den Schmerz und die Lehren, die Min am Ende für sich aus allem zieht, machten mich betroffen, aber auch hier gilt wohl, dass es zum Erwachsenwerden dazu gehört, den Kopf aus den Wolken zu ziehen. („Leider“, seufzt mein innerer Teenager beim Schreiben dieser Worte.)

Als Erwachsene sage ich, 43 Gründe, warum es AUS ist ist ein Jugendbuch. Ein echtes Jugendbuch, kein All-Ager, der sich nicht traut, beim Namen genannt zu werden. Und es ist ein gutes Jugendbuch. Klar, humorvoll und temporeich erzählt und dicht an der, zugegebenermaßen wohl amerikanischen, Altersgruppe. Keine romantische, moralische Verklärung, sondern die realistische Darstellung vom Erwachen, Scheitern und Verarbeiten der ersten großen Gefühle.

Der Autor: Daniel Handler ist 1970 in San Francisco geboren. Er arbeitet als Schriftsteller, Drehbuchautor und Musiker, u.a. ist er Mitglied der New Yorker Band Magnetic Fields. Unter dem Pseudonym Lemony Snicket veröffentlichte er die 13-bändige Kinderbuchreihe Eine Reihe betrüblicher Ereignisse. 43 Gründe wird gerade verfilmt.

Die Illustrtorin: Maira Kalman wurde 1949 in Israel geboren. Sie ist eine international renommierte Illustratorin, Künstlerin, Designerin und Autorin. Unter anderem arbeitet sie für die New York Times und den New Yorker.

Das Buch: 43 Gründe, warum es AUS ist von Daniel Handler, 2013 im Carl Hanser Verlag erschienen, 368 Seiten, gebunden, Preis: 18,90 Euro, ISBN 978-3446243132, empfohlene Altersgruppe 14-17 Jahre